Tag 1: 15.08.2008 – Port-St. Louis-du-Rhône, Navi Service
Gestern sind wir angekommen, Olafs Bruder hat uns gebracht. Mit dem Auto hat die Fahrt von Stuttgart nach Port-St. Louis-du-Rhône zehn Stunden gedauert. Für den Rückweg per Boot haben wir drei Wochen veranschlagt – mehr Zeit haben wir nicht. Unsere bisherigen Flusstouren von und nach Südfrankreich haben gezeigt: Eigentlich dauert die Fahrt über Flüsse und Kanäle bis nach Stuttgart viel länger. Es regen sich erste Zweifel an unseren Überführungsplänen. Rund 200 Schleusen und viel zu viele Flusskilometer liegen vor uns. Werden wir es schaffen? Wäre nicht doch besser gewesen, in einen Landtransport per LKW zu investieren anstatt dickköpfig an der Do-it-Yourself Überführung festzuhalten – obwohl die Zeit eigentlich nicht reicht?
Für kalte Füße ist es jetzt zu spät. Wir rollen bereits durch das Tor des Trockendocks der Firma Navi Service, wo uns DUDE erwartet. Schnell ist der Mast gelegt und das Boot eingekrant. Eine kurze Einkaufsfahrt später sind Proviant und 230 Liter Diesel an Bord. Morgen starten wir, die Zeit ist knapp.
Tag 2: 16.08.2008: Port St. Louis du Rhône – Arles, Anlegestelle
41 km, 6 Std. 45 min., Schleusen: 1, Liegegebühren: Keine
Die Seeschleuse in Port-St. Louis passiert DUDE um 9.30 Uhr. Die Laune ist mäßig. Bei böigem, kaltem Nordwind motoren wir durch das Rhône Delta. Besser wird es erst um 16.30 Uhr, als wir am Anleger von Arles mit direkter Aussicht auf die Altstadt festmachen. Wir nutzen den Abend für den überfälligen Motorservice und setzen dann den Bordgrill in Betrieb. Mit Ausblick auf Arles schmecken Steaks und Rotwein besonders gut.
Tag 3: 17.08.2008: Arles – Roquemaure, Anlegestelle
57 km, 9 Std. 30 min., Schleusen: 2, Liegegebühren: Keine
Mit 27 PS gegen starke Strömung zu motoren nervt. Erst nach der Schleuse von Beaucaire wird es besser. Etwas wehmütig passieren wir Avignon, wo DUDE 2005 einige schöne Tage am Besuchersteg lag. Die Anlegestelle von Roquemaure entschädigt jedoch für das verpasste Avignon. Gegenüber der Ruine des Château de l`Hers genießen wir einen tollen Ausblick auf das vom Mont Ventoux eingerahmte Gemäuer.
Tag 4: 18.08.2008: Roquemaure – Viviers, Hafen
59 km; 10 Std., Schleusen: 2; Liegegebühren: 13.- €
Geduldsprobe gleich am Morgen. Routinemäßig melden wir uns in Caderousse per UKW beim Schleusenwärter an, müssen aber über eine Stunde auf die Schleusung warten. Schließlich dürfen wir passieren und motoren einmal wieder viel zu langsam gegen die zunehmende Strömung. Dann kommt Bollène in Sicht. Mit 23 Metern Hubhöhe ist Bollène die höchste Schleuse dieser Reise. Sehr klein fühlen wir uns beim Anblick dieses gigantischen Zeugnisses menschlicher Schaffenskraft. Es geht aber noch zwergenhafter. Wir staunen nicht schlecht, als die beiden Monsieurs mit ihrem winzigen Segelboot freundlich winkend neben uns festmachen. Gemeinsam werden wir sanft und sicher angehoben.
Unser Tagesziel Viviers kennen wir bereits von unseren ersten beiden Rhônetouren und so freuen wir uns auf den netten Hafen des mittelalterlichen Städtchens.
Tag 5: 19.08.2008: Viviers, Hafen – Le Pouzin, öffentlicher Kai in der Ouvèzemündung
32 km; 7 Std., Schleusen: 2; Liegegebühren: keine
Ich liebe es, meine Lebensmittel auf den Märkten des Südens einzukaufen: Das Bummeln zwischen den Marktständen, die Gerüche, hier und da etwas probieren und dann den Marktgang vollbepackt mit regionalen und frischen Köstlichkeiten in einem Café oder einer Bar ausklingen lassen – mehr braucht es nicht. Zu meinem Glück ist heute Markttag in Viviers und ich kann Olaf von der Dringlichkeit eines Lebensmitteleinkaufs überzeugen. Bald füllen Oliven, Käse, Baguette und duftendrote Tomaten unsere Einkaufstaschen, die Versorgung ist vorerst gesichert, die Stimmung gut.
Der Frohsinn ist nach dem Ablegen jedoch schnell dahin. Die Schraube klappert und gibt furchteinflößende Geräusche von sich. Als wir in das Fahrwasser der Rhône gelangen stellen wir fest, dass auch kaum Schub vorhanden ist. Also heißt es umkehren, zurück in den Hafen. Wieder sicher vertäut, begibt sich Olaf tauchend auf Ursachenforschung in das trübe Wasser. Bündelweise Kraut und Grasschnitt haben sich um unsere Schraube gewickelt, der Propeller kann sich kaum noch drehen. Olaf schneidet die Schraube frei und nachdem ihn eine erneute Dusche von dem etwas brackigen Parfüm des Rhônewassers befreit hat, kann die Fahrt weitergehen.
Die nächste Herausforderung des Tages wartet als wir die Schleuse Logis Neuf passieren. Bei der Einfahrt bleibt das vor uns fahrende Flusskreuzfahrtschiff an der Seite hängen und gibt heftigen Schub um wieder frei zu kommen. Wir fahren kurz dahinter und werden von den Verwirbelungen der mächtigen Kreuzfahrerschraube gegen die Schleusenwand gedrückt. Es kratzt und schabt und unsere Rollfockanlage, die etwas über den Buggkorb hinausragt, wirkt nun etwas mitgenommen. Eine spätere Untersuchung lässt uns aber erleichtet aufatmen – es ist kein größerer Schaden entstanden.
In Le Pouzin, unserem heutigen Tagesziel, liegen wir in der Mündung der Ouvèze. Am öffentlichen Kai, vor der ersten Brücke, hat die Stadt Festmacherringe für Besucher ausgebracht. Wir liegen etwas abseits der vielbefahrenden Rhône, ruhig und schön vor einem kleinen Park. Wieder einmal hat uns unser Flussführer, der Guide Vagnon, diesen 1A Liegeplatz verraten.
Tag 6: 20.08.2008: Le Pouzin – St. Vallier, Anlegestelle
56 km; 10 Std., Schleusen: 3; Liegegebühren: keine
Zehn Stunden Flussfahrt drei Schleusen, gutes Wetter, keine Probleme, es läuft heute wie geschmiert – das muss gefeiert werden. Der örtliche Supermarkt versorgt uns mit unseren Lieblings-Thymian- Würstchen, vom Bordgrill wehen bald verführerische Düfte. Mit einem Glas kühlen Rhône-Weißwein in der einen Hand und einem Thymian-Würstchen in der anderen preise ich diesen Tag.
Tag 7: 21.08.2008: St. Vallier – Lyon
78 km; 11 Std. 50 min, Schleusen: 3; Liegegebühren: keine
Nach langer Fahrt freue ich mich schon auf das Feierabendbier, Lyon ist in Sichtweite. Die Tore der letzten Schleuse tun sich auf und – wir trauen unseren Augen nicht – es schwappt ein undurchdringlicher grüner Teppich aus frischgeschnittenem Gras in der Schleusenkammer. Wir befürchten Schlimmes und dann passiert es auch: Wieder einmal verstopft der Kühlwassereinlass unserer Maschine. Das ist ganz schlecht, denn mangelnde Kühlung kann schnell zum Exitus des Motors führen. Vorsichtig fahren wir aus der Schleuse und Erreichen in Schleichfahrt den nahen Quai Marechal Joffre, wo wir für die Nacht festmachen – das ist gerade nochmal gutgegangen. Fest vertäut können wir die Graspfropfen im Kühlwassereinlass in Ruhe beseitigen. Obwohl wir uns im Herzen von Lyon befinden, verziehen wir uns früh in die Koje. 78 Kilometer waren wir heute auf dem Fluss, wir sind einfach nur müde.